HU Frankfurt: Gestärkt aus der Krise. Ortsverband stellt sich personell neu auf

Zwei außerordentliche Mitgliederversammlungen bildeten die Höhepunkte und zugleich das Ende einer Krise, in die der Ortsverband Frankfurt am Main in den letzten Monaten geraten war: Am 25. Februar 2013 traten drei von vier Mitgliedern des erst im September gewählten Ortsvorstands zurück. Am 6. April 2013 wurde ein neuer Vorstand gewählt, dem nunmehr sieben Mitglieder angehören.

Doch der Reihe nach: Bereits seit einiger Zeit, mindestens aber seit der Bundesdelegiertenkonferenz 2011 in Berlin, wurden Differenzen zwischen der Mehrheit des Ortsvorstands Frankfurt auf der einen, und Bundesvorstand und Bundesgeschäftsführung auf der anderen Seite offenkundig. Im Vordergrund standen dabei vor allem unterschiedliche Auffassungen in zwei Bereichen:

· Die religionspolitische Ausrichtung der Humanistischen Union: Während der Bundesverband die Trennung von Kirche und Staat fordert, gleichzeitig aber die Existenz von Kirchen und dem Glauben als zentrales Bürgerrecht anerkennt, vertrat der OV Frankfurt eine dezidiert kirchen- und glaubenskritische Linie, die von einigen Mitgliedern so aufgefasst wurde, dass sich die HU über gläubige Menschen lustig machen würde.

· Die Unterstützung der Regionalverbände durch die Bundesgeschäftsstelle: Während die Bundesgeschäftsführung, die in erster Linie dem Bundesvorstand zuarbeiten soll, aus ihrer Sicht im Rahmen ihrer Kapazität (und manchmal darüber hinaus) die Regionalverbände unterstützt, kritisierte  der Frankfurter Ortsvorsitzende Peter Menne, dass die Unterstützung nicht nur nicht ausreiche, sondern die Regionalverbände sogar an ihrer Arbeit gehindert würden.

Zusätzlich wurde vom Ortsvorsitzenden mangelnde Berücksichtigung der Regionen, z.B. bei der Wahl der Orte von Bundesdelegiertenkonferenzen und Verbandstagen kritisiert (Mitteilungen Nr. 217, Seiten 23/24) und durch Wolfgang Hoog „Integrationsprobleme mit der GHI“ diagnostiziert (Mitteilungen Nr. 218/219, Seite 28).

In einem Treffen von Bundesvorstand, Bundesgeschäftsführung und OV Frankfurt am 1. Dezember 2012 wurde versucht, die Differenzen auszuräumen. Leider ohne Erfolg, wie die folgenden Wochen zeigten.

Zur Eskalation kam es am 25. Februar 2013. Im Verlauf einer kurzfristig einberufenen, außerordentlichen Mitgliederversammlung erklärten Peter Menne, Wolfgang Hoog und Benjamin Jakob ihren sofortigen Rücktritt aus dem Ortsvorstand Frankfurt und ihren Austritt aus der Humanistischen Union. Weitere Mitglieder folgten während der Mitgliederversammlung ihrem Beispiel. Da diese Mitglieder allesamt erst wenige Tage zuvor in die HU eingetreten waren, liegt die Vermutung einer gezielten Inszenierung dieses „Massenaustritts“ wohl nahe.

Der Mitgliederversammlung folgte der Versuch, die Nachricht der Rücktritte und die damit verbundene Kritik an der HU möglichst breit zu streuen, offenbar mit dem Ziel, der Humanistischen Union maximal zu schaden. Unter anderem titelte die Frankfurter Rundschau, die HU in Frankfurt sei „am Ende“. Enttäuschend war dabei die kritiklose Übernahme der Erklärungen; ein Interview mit Peter Menne in der Tageszeitung Junge Welt las sich so, als ob er sich die Fragen gleich selbst gestellt hätte. Es wurde augenscheinlich kein Versuch unternommen, eine Stellungnahme von Bundesvorstand, Bundesgeschäftsführung oder dem verbliebenen Mitglied des Ortsvorstands einzuholen.

Es musste nun ein neuer Ortsvorstand gewählt werden: wieder in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, am 6. April 2013. Das Gremium bilden nun Stefan Hügel als 1. Vorsitzender, Gregory Engels als 2. Vorsitzender, Christian Loder als Finanzreferent sowie als weitere Vorstandsmitglieder […], Andrew Ruben Bridgewater, Holger Reimann und Sigrid Weiser. Vielen Dank im Namen des neuen Ortsvorstands für das durch die Wahl ausgesprochene Vertrauen – und für die großartige Unterstützung durch den Bundesvorstand, die Bundesgeschäftsführung und den Regionalverband Marburg.

Das breite Spektrum bürgerrechtlicher Themen möchte die HU Frankfurt in ihrer künftigen Arbeit deutlicher zum Ausdruck bringen. Dieses Spektrum umfasst unter anderem die Kritik am Verfassungsschutz, die Folgen der Nutzung sozialer Netzwerke für die Persönlichkeitsrechte, Gesundheit als Menschenrecht und die Forderung nach einem konfessionsunabhängigen Ethik- statt konfessionsgebundenem Religionsunterricht an Schulen. Auch der Einfluss der Kirchen auf öffentliche Einrichtungen, wie Kindergärten und Krankenhäuser, und die Staatsleistungen an die Kirchen sollen thematisiert werden.

„Die HU war nie eine atheistische Organisation, sondern offen für Menschen aller Weltanschauungen und Glaubensrichtungen. Ihre Forderung nach einer Trennung von Kirche und Staat respektiert gleichermaßen die ,negative Religionsfreiheit‘ der Nicht-Gläubigen wie die positive Entscheidung für ein persönliches Glaubensbekenntnis“, betonte aber auch Franz-Josef Hanke, der Vorsitzende des Marburger Regionalverbandes, zu der Debatte um die religionspolitische Ausrichtung. Die beiden Regionalgruppen wollen künftig stärker kooperieren.

Mit ihrer Forderung nach einem unabhängigen Polizeibeauftragten will sich der Regionalverband auch gemeinsam mit dem Regionalverband Marburg in den hessischen Landtagswahlkampf einbringen. Eine unabhängige Beschwerdeinstanz könnte nicht nur den Bürgern eine Beschwerde nach Übergriffen von Polizeibeamten erleichtern, sondern auch Polizisten selbst Mut machen für Kritik an innerorganisatorischen Zuständen. Die Notwendigkeit einer derartigen Instanz ist nach einigen bedauerlichen Vorfällen in Frankfurt wohl deutlich geworden.

Die Krise des Ortsverbands ist damit wohl überwunden. Jetzt gilt es, die erfolgreiche Arbeit für die Bürgerrechte in Frankfurt am Main fortzusetzen.

Das Protokoll der Mitgliederversammlung sowie die Erklärung des Bundesvorstands anlässlich des mehrheitlichen Rücktritts des Ortsvorstandes kann im internen Wiki der Humanistischen Union https://www.humanistische-union.de/wiki/intern/regionen/frankfurt) sowie in der Bundesgeschäftsstelle abgerufen werden.

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