Die Triebfedern unseres Handelns deutlich machen: Humanismus und Aufklärung
Peter Menne
I. Der Vorschlag des Gremiums zur Namensfindung, insbesondere von Gerd Pflaumer, uns „Humanistische Union für Bürgerrechte“ zu nennen, ist gut – doch wie Norbert Reichling richtig bemerkt, geht es noch besser: Der Name soll nicht nur unsere Aktivitäten zutreffend auf den Punkt bringen, sondern auch sprachlich wohlgeformt sein. Der Vorschlag „Humanistische Union. Bürgerrechte jetzt!“ klingt attraktiv – könnte aber falsche Erwartungen wecken. Denn so begrüßenswert aktiv die Forderung „Bürgerrechte jetzt!“ klingt, könnte sie als zu deutlich aktionsorientiert aufgefasst werden. Wenn wir selbstkritisch auf die Zahl unserer Aktiven blicken: wecken wir damit nicht falsche Erwartungen? Eine immer noch größere Dynamik als das „… für Bürgerrechte“ strahlt die Formulierung „Humanistische Union. Bürgerrechtsorganisation“ aus.
II. Es ist gut, dass die Namensdebatte manches Mitglied zu Aktivitäten ermuntert. Die Last der HU-Arbeit liegt auf viel zu wenigen Schultern. Zwar sind auch passive Mitglieder wertvoll für unseren Verein, denn mit ihren Beiträgen finanzieren sie unsere Arbeit mit – doch die will gemacht werden. So erfreulich es ist, in der jetzigen Diskussion manche sonst selten gehörte Stimme zu vernehmen: wäre es nicht noch erfreulicher, sich in der inhaltlichen Arbeit zu engagieren?
III. Dazu ein paar Erfahrungen von jemandem, der jetzt das Podium „Brauchen wir den Verfassungsschutz?“ organisiert hat, der die Reihe „Leitkultur Menschenrechte“ maßgeblich mitgestaltet und dafür gesorgt hat, dass die HU in der Presse erscheint. (Klickt doch mal auf unserer Webseite auf „Medienresonanz“: wer hat da für welches Echo gesorgt?)
Die Humanistische Union Frankfurt hat hochkarätige Spezialisten für ihre Veranstaltungen gewonnen – und in die Öffentlichkeit gebracht. Mag sein, dass die HU nicht jedem Mitreisenden im Bahnabteil bekannt ist. Uns eilte mal ein „professoraler“ Ruf voraus – ins Positive gewendet: in der HU sammelten sich intellektuelle Kapazitäten. Eine Massenorganisation wie „Amnesty International“ sind wir (noch?) nicht – aber Entscheider kennen uns. Das war, ist und bleibt ein wichtiges Zielpublikum – und da ist der Name „HU“ verankert.
IV. Die HU ist keine Juristenvereinigung. So wertvoll das Engagement mancher Juristen für die Kompetenz des Vereins ist, bleibt unser Kern das Interdisziplinäre: wir versammeln Kompetenzen aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsgebieten – seit der Gründung 1961 und werden nicht zuletzt deshalb gehört.
Was ist Triebfeder unseres Engagements? Ganz schnell sind wir bei Aufklärung und Humanismus. Die Menschenrechte wurden nicht von Juristen erfunden, sondern von Aufklärungsphilosophen wie Kant, Locke, Rousseau oder Schriftstellerinnen wie Olympe de Gouges („Déclaration des droits de la Femme et de la Citoyenne„, 1791) erklärt.
Die Gründungsdokumente der HU, nicht nur der Aufruf von Gerhard Szczesny, beziehen sich klar auf aufklärerisches und humanistisches Gedankengut. Wollen wir z.B. als „Bürgerrechtsunion“ (Saborowski) zum juristischen Fachverband mutieren? Oder wollen wir die Antriebsfedern unseres interdisziplinären Engagements auch in unserem Namen mit „humanistisch“ deutlich werden lassen?
Die Frage ist keineswegs historisch – sondern hochaktuell: ein Frankfurter Neumitglied (Beitritt 2011) formulierte es drastisch: „Eine HU ohne Humanisten ist nicht meine HU … 😉“
V. Die HU ist keine weltanschauliche Vereinigung, da hat Gerhard Saborowski Recht. Unter „Humanismus“ kann viel verstanden werden – und das ist gut so: Aufklärung reicht von den Schriften Kants, die die Kirche auf den Index gesetzt hat, bis zur „Justine„, die Horkheimer / Adorno als Gipfelpunkt der Aufklärung würdigen. „Humanistisch“ reicht vom Gymnasium, das Latein und Altgriechisch anbietet, bis zum „evolutionären Humanismus“ eines Michael Schmidt-Salomon: gerade weil die Begriffe unscharf verwendet werden, sind sie bestens geeignet, die Vielfalt der Überzeugungen unserer Mitglieder zu spiegeln – und im Suffix „Bürgerrechtsorganisation“ das konkrete Anliegen auf den Punkt zu bringen.
Unser Anspruch, „die Unabhängigkeit des Staates … sowie aller Bereiche, in denen gesamtgesellschaftliche und sachliche Aufgaben zu lösen sind, gegenüber Machtansprüchen konfessioneller und weltanschaulicher Gruppen zu wahren“ (Satzung, § 2 Abs. 3) würde sich nicht mit einem bis ins Detail konkretisierten Bekenntnis vertragen. Wohl aber gibt es gemeinsame Wurzeln in unseren Überzeugungen, gemeinsame Werte, für die wir uns engagieren. Die können und sollen wir benennen – mit welchem Begriff wären sie besser zu fassen als mit „humanistisch„?
VI. In seinem langen Artikel „Humanistische Union – ein Markenzeichen für Bürgerrechtsarbeit“ argumentiert Gerhard Saborowski zuletzt ganz formalistisch: Unter Hinweis auf „pacta sunt servanda“ behauptet er, aus dem Fusionsvertrag von HU und GHI folge, dass der Verein sich einen neuen Namen geben müsse. Wenn man schon so formalistisch argumentiert, sollte man wenigstens korrekt zitieren – was sich weniger auf die Lateinkenntnisse bezieht (korrekt heißt es nicht „versanda„, sondern „servanda„) denn auf den Vertrag: der verlangt nämlich keine Änderung, sondern lediglich eine Abstimmung über den Vereinsnamen – und die hatte es 2010 gegeben: Vertrag erfüllt.
VII. Zusammenfassend: die Diskussion ist wertvoll, solange sie offen und nicht mit Scheinargumenten geführt wird. Gerd Pflaumers Vorschlag „Humanistische Union für Bürgerrechte“ ist gut, aber persönlich kann ich Norbert Reichling zustimmen: „Humanistische Union. Bürgerrechtsorganisation“ klingt besser: das bringt griffig auf den Punkt, wofür wir stehen, dafür sollten wir stimmen.
Peter Menne
Vorsitzender des OV Frankfurt